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Goldgelbe Vergilbung im Fokus: Rückblick auf den vergangenen Themenabend  

Am 21. November 2024 luden wir, die Rebschule Kiefer & Sester, zu einem informativen Themenabend ins Kiefer & Sester Forum ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Goldgelbe Vergilbung (Flavescence dorée), eine durch die Amerikanische Rebzikade übertragene Phytoplasmen-Krankheit, die auch deutsche Weinbaugebiete zunehmend bedroht. Die Veranstaltung lockte zahlreiche Winzer, Winzerinnen und Interessierte an und bot eine gelungene Kombination aus praxisorientierten Einblicken und fundierten Fachvorträgen.

Der Abend begann mit einer Begrüßung durch Ralf Sester und einer Verkostung von Secco aus den pilzwiderstandsfähigen Rebsorten Calardis Blanc, Muscaris und Johanniter. Dieses Cuveé verdeutlichte eindrucksvoll das Potenzial innovativer Reben, die eine nachhaltige Zukunft des Weinbaus ermöglichen könnten. Anschließend führte das Team um Ralf Sester durch den Betrieb und zeigte den Gästen die präzisen Arbeitsprozesse bei der Sortierung und Aufbereitung der Pfropfreben nach dem Ausschulen. Diese Demonstration unterstrich den hohen Qualitätsanspruch der Rebschule Kiefer & Sester.

Im ersten Vortrag des Abends bot Dr. René Fuchs vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg einen fundierten Einblick in die Biologie der Amerikanischen Rebzikade und der Goldgelben Vergilbungskrankheit. Er erläuterte die Symptome der Krankheit, die unter anderem in Vergilbung des Reblaubs, eingerollten Blättern, nicht verholzten Trieben, welken und bitter schmeckenden Trauben sowie dem Absterben ganzer Rebstöcke bestehen. Da diese Symptome auch bei der Schwarzholzkrankheit auftreten, ist eine exakte Unterscheidung von Flavescence dorée und Schwarzholzkrankheit nur im Labor möglich. Besonders besorgniserregend sei, dass die Amerikanische Rebzikade ihren gesamten Lebenszyklus auf der Weinrebe verbringt und so die Phytoplasmen rasant verbreitet werden. Bei der Schwarzholzkrankheit hingegen sind Brennnesseln und Ackerwinden die Hauptwirtpflanzen, während Reben nur zufällig von den Glasflügelzikaden angeflogen werden, die die Phytoplasmen übertragen können. Dr. Fuchs wies zudem darauf hin, dass die Symptome der Goldgelben Vergilbung leicht mit anderen Problemen wie Magnesiummangel, Blattrollkrankheit, Trockenstress oder Phloem-Stau durch abgeknickte Triebe verwechselt werden können.

Aktuelle Monitoring-Daten aus Südbaden zeigen, dass im Jahr 2024 an 60 Fallenstandorten auf 182 Hektar Rebfläche insgesamt 450 Amerikanische Rebzikaden gefangen wurden. Noch im Jahr 2023 konnte keine einzige amerikanische Rebzikaden im gleichen Gebiet nachgewiesen werden. Glücklicherweise wurden bisher keine mit den Phytoplasmen von Flavescence dorée infizierten Zikaden bestätigt. Dennoch sei es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Krankheit auch in der Region ausbreite. Dr. Fuchs betonte, dass neben umfassenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen – wie das Roden von wilden Unterlagsreben an Böschungen oder verwilderter Weinberge – auch gezielte Insektizidbehandlungen in abgestimmten Zeitabständen notwendig sind, sobald erste Infektionen in einem Gebiet auftreten, um die rasante Ausbreitung der Krankheit einzudämmen.

Der zweite Vortrag des Abends wurde von Jan van Lamsweerde vom italienischen Weingut Corte Capitani gehalten, der als stark betroffener Winzer von der Goldgelben Vergilbung berichtete. Er schilderte eindrucksvoll die verheerenden Auswirkungen der Krankheit auf sein Weingut in Bardolino am Gardasee, wo er aufgrund der rasanten Ausbreitung 30 % seiner Rebfläche roden musste. Van Lamsweerde kritisierte vor allem die mangelnde Kommunikation und Koordination zwischen benachbarten Betrieben, was die Ausbreitung zusätzlich beschleunigte. Zugleich räumte er ein, dass er zu Beginn die Gefährlichkeit der Krankheit nicht ernst genug genommen und die Bekämpfung nicht konsequent verfolgt hatte.

Van Lamsweerde plädierte für verbesserte Diagnosemöglichkeiten, wie die Entwicklung von Schnelltests, um infizierte Rebstöcke schneller zu identifizieren. Aktuell dauert die Diagnose über Labortests oft mindestens zwei Wochen, was fatale Folgen für betroffene Weinberge haben kann. Dr. Fuchs entgegnete jedoch, dass Schnelltests aufgrund der geringen Konzentration der Phytoplasmen im Rebengewebe nicht praktikabel seien. Selbst moderne PCR-Verfahren stoßen hier an ihre Grenzen, weshalb der Nachweis der Krankheit weiterhin aufwendig und zeitintensiv bleibt.

Trotz der massiv negativen Auswirkungen auf sein Weingut sieht van Lamsweerde auch eine Chance: Die großflächige Rodung der betroffenen Flächen ermöglichte es ihm, seinen Betrieb vollständig auf Piwi-Rebsorten umzustellen. Diese Sorten bieten nicht nur eine nachhaltigere, sondern auch eine zukunftsorientierte Alternative im Weinbau. Sein eindringlicher Appell an die Teilnehmenden lautete: Die Symptome der Goldgelben Vergilbung ernst zu nehmen, Infektionen frühzeitig bei den zuständigen Behörden zu melden und sich besser mit Nachbarbetrieben abzustimmen, um besonders effektive Schutzmaßnahmen umzusetzen.

Der Themenabend wurde von einer Verkostung von 12 Piwi-Weinen aus Deutschland und Italien begleitet, die in Dreierserien präsentiert wurden und die Vielseitigkeit sowie die geschmackliche Qualität dieser Sorten eindrucksvoll unter Beweis stellten. Die Teilnehmenden zeigten großes Interesse und stellten zahlreiche Fragen, was zu lebhaften und angeregten Diskussionen führte. Es wurde deutlich, wie wichtig der Austausch zwischen Winzern ist, um Herausforderungen im Weinbau aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und gemeinsam anzugehen.

Für das Jahr 2025 sind bereits weitere Themenabende in Planung, die sich mit aktuellen Fragestellungen und innovativen Lösungen im Weinbau befassen werden. Die Details zu diesen Veranstaltungen werden zeitnah auf unserer Website veröffentlicht. Mit dieser Veranstaltungen wie diesen bemühen wir uns wertvolle Perspektiven und praxisorientierte Lösungsansätze für eine wirtschaftliche und nachhaltige Zukunft des Weinbaus aufzuzeigen.